2006
1. Mannheimer Arbeitsrechtstag 2006 zum Thema »Restrukturierung – Das Unvermeidliche meistern«
Trotz anziehender Konjunktur bleiben die Aussichten auf dem Arbeitsmarkt eher verhalten. Nach einer Umfrage des Instituts der deutschen Wirtschaft wollen nur 4 von 45 Branchen Personal einstellen, 21 werden Stellen streichen. Nach wie vor müssen also Mitarbeiter um ihren Arbeitsplatz bangen. Strategien, um unvermeidliche Restrukturierungsmaßnahmen bestmöglich zu meistern, nahm der erste Mannheimer Arbeitsrechtstag unter die Lupe, der am 5. April 2006 unter Leitung von Prof. Dr. Frank Maschmann, Direktor am Institut für Unternehmensrecht an der Universität Mannheim veranstaltet wurde.
Betriebliche Bündnisse, Transfer und Trennungskultur
Die über 200 Teilnehmer der Veranstaltung erhielten einen Überblick über aktuelle Entwicklungen und konnten sich über eigene Erfahrungen austauschen. Am Anfang stand die Frage, wie sich durch innovative Tarifverträge nachhaltig Beschäftigung sichern lässt, um den sonst drohenden Personalabbau zu vermeiden. Walter Huber, Direktor in der Zentralabteilung Personal der Siemens AG in München, und Lothar Adler, stellvertretender Gesamtbetriebsratsvorsitzender der Firma, berichteten über die erfolgreiche Umsetzung der „Pforzheimer Erklärung” zur Standortsicherung in der Elektro- und Metallindustrie. Sie ermöglicht Abweichungen vom Flächentarif durch betriebliche Bündnisse für Arbeit, wenn der Arbeitgeber Verpflichtungen zur Beschäftigungssicherung eingeht. Die Referenten betonten, dass mit diesen Bündnissen eine stärkere Orientierung derArbeitsbedingungen an der Auslastung und der Ertragslage des Unternehmens erreicht werden könne. Sie wiesen allerdings auch darauf hin, dass trotz dieser Flexibilisierungsmöglichkeiten auch in nächster Zukunft mit erheblichen Stellenstreichungen zu rechnen sei, da weitere technische Innovationen bevorstünden.
Personalabbau durch Transfer” lautete sodann das Referat von Joachim Kienzle, Geschäftsführer des Arbeitgeberverbands Südwestmetall, der darauf hinwies, dass die Vermittlungschancen für die von einem Stellenabbau betroffenen Mitarbeiter in einer Qualifizierungs- und Beschäftigungs(„such”)gesellschaft trotz gekürzter Fördermittel noch immer sehr viel besser seien als bei einer Vermittlung durch die BA. Internen Beschäftigungsgesellschaften, die die Unternehmen selbst führten, erteilte Kienzle dagegen eine deutliche Absage, da dort bei den Mitarbeitern häufig der notwendige Leidensdruck fehle. Dr. Laurenz Andrzejewski von der Unternehmensberatung 1×1 in Usingen monierte in seinem Vortrag zum „Trennungsmanagement”, dass Führungskräfte und Personal häufig zu unvorbereitet und überhastet in Trennungsgespräche gingen und die zu Kündigenden die verbleibende Belegschaft mit unklaren Botschaften verunsicherten. Andrzejewski forderte zur Einführung einer „Trennungskultur” auf.
Sperrzeit, Leistungsverdichtung und Sozialauswahl
Der zweite Teil der Tagung war den Rechtsfragen der Restrukturierung vorbehalten. Dr. Wolfgang Spellbrink, Richter am BSG, und der Heidelberger Rechtsanwalt Michael Eckert diskutierten, wann eine einvernehmliche Vertragsbeendigung eine Sperrzeit auslöst. Die „Abfindungskündigung” nach § 1a KSchG führe zu keiner Sperrzeit, wenn sich das Abfindungsangebot im Rahmen von 0,5 Monatsgehältern pro Beschäftigungsjahr bewege. Kritisch sei jedoch der Abwicklungsvertrag, da der Mitarbeiter damit wesentlich zur Lösung des Beschäftigungsverhältnisses beitrage. Die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses durch gerichtlichen Vergleich löse grundsätzlich ebenfalls keine Sperrzeit aus.
Prof. Maschmann zeigte in seinem Vortrag „Betriebsbedingte Kündigung zur Leistungsverdichtung”, dass die unternehmerische Personalplanung nur vordergründig frei sei, in Wahrheit aber einer dezidierten Kontrolle durch die Arbeitsgerichte unterliege. Überprüft würden die Stimmigkeit und Machbarkeit des zugrunde liegenden Unternehmenskonzepts. Problematisch sei zudem, dass der Mitarbeiter keine „Normal”- oder „Mindestleistung” schulde, sondern nur verspreche, unter angemessener Anspannung seiner Fähigkeiten und Fertigkeiten sorgfältig zu arbeiten. Dem Mitarbeiter nachzuweisen, er habe sein individuelles Leistungspotenzial noch nicht ausgeschöpft, sei jedoch für den Arbeitgeber nur schwer möglich. Prof. Dr. Walter Oechsler, Inhaber des Mannheimer BWL-Lehrstuhls für Personalwesen und Arbeitswissenschaft hielt in seinem Anschlussreferat den Ansatz des BAG für betriebswirtschaftlich nicht nachvollziehbar. Subjektive Schätzmethoden würden der Rechtsprechung häufig besser gerecht als Bedarfsanalysen aufgrund objektivierter, durch Betriebsvergleich ermittelter Kennzahlen.
Zum Abschluss der Veranstaltung referierte der Vizepräsident des Mannheimer Arbeitsgerichts, Lothar Jordan, zum Thema „Sozialauswahl nach neuem Recht”. Ziel seines lebendigen und mit kuriosen, zum Teil haarsträubenden Beispielen seiner täglichen Praxis versehenen Vortrags war es, vermeidbare Fehler aufzuzeigen. Er rügte den Gesetzgeber und erklärte, er habe beim Lesen der Gesetzesbegründungen häufig den Eindruck, „die wissen nicht, was sie tun”. Angesichts der großen Resonanz der Tagung versprach Prof. Maschmann, auch im nächsten Jahr ein aktuelles Thema aufzugreifen.
v.l.n.r.: Michael Eckert, Walter Huber, Lothar Adler, Joachim Kienzle, Dr. Laurenz Andrzejewski, Prof. Dr. Frank Maschmann (Foto: Bernd-Rainer Karl) |