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Termin für den 20. Mannheimer Arbeitsrechtstag: Mittwoch, 4. März 2026

Bericht 19. Mannheimer Arbeitsrechtstag, 5. März 2025:
»Künstliche Intelligenz im Personalwesen: Neue Fragen für das Arbeitsrecht«
Künstliche Intelligenz (KI) ist in aller Munde und macht auch vor dem Arbeitsrecht nicht halt. Von Recruiting-Algorithmen, die Lebensläufe analysieren und Auswahlgespräche führen, bis hin zu Systemen, die Krankmeldungen auswerten und passende Eingliederungsmaßnahmen vorschlagen – KI verändert die Arbeitswelt. Doch auf diesem Weg hat der Gesetzgeber bereits Grenzen gesetzt: Die KI-Verordnung (KI-VO), Mitbestimmungsrechte und Datenschutzvorgaben regulieren den Einsatz von KI im Personalwesen. Dieses Spannungsfeld wurde am 5. März 2025 unter der Leitung von Prof. Dr. Frank Maschmann (Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht und Arbeitsrecht an der Universität Regensburg) mit Experten aus Theorie und Praxis diskutiert. |
Den Auftakt machte Prof. Dr. Christian Wolff (Inhaber des Lehrstuhls für Medieninformatik und Dekan der Fakultät für Informatik und Data Science an der Universität Regensburg), der zunächst erklärte, was KI ist, wie sie funktioniert und welche Risiken sie birgt. Art. 3 Nr. 1 der KI-VO beschreibt ein „KI-System“ als eine maschinengestützte Technologie, die Eingaben verarbeitet, um Vorhersagen, Inhalte, Empfehlungen oder Entscheidungen zu erstellen, die physische oder virtuelle Umgebungen beeinflussen. Einigkeit besteht darüber, dass zwei Arten von Systemen unterschieden werden: logik- bzw. wissensbasierte KI-Systeme und solche, die auf maschinellem Lernen beruhen – darunter Deep Learning und Large Language Models (z.B. ChatGPT). Während Sprachmodelle zunehmend in der Arbeitswelt genutzt werden, warnte Wolff vor möglichen Risiken, insbesondere im Personalwesen. KI-Systeme könnten Wahrnehmungsverzerrungen („Bias“) aufweisen und so unbewusst bestimmte Personengruppen bevorzugen oder benachteiligen, was erhebliche Auswirkungen auf das HR-Management haben könnte. |
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Rechtsanwalt Dr. Joachim Holthausen (Köln) beleuchtete anschließend weitere konkrete Anwendungsmöglichkeiten von KI in der Personalabteilung. Er zeigte auf, dass KI weit mehr kann als nur Bewerbungsprozesse zu automatisieren: Von der digitalen Unterstützung beim Onboarding über KI-gestütztes Vertragsmanagement bis hin zur Personaleinsatzplanung, –entwicklung und dem Talentmanagement. Dennoch sieht Holthausen KI bislang nicht als Ersatz, sondern als Assistenzwerkzeug, das bestehende Arbeitsprozesse effizienter gestaltet. Ziel müsse es sein, Standardaufgaben zu reduzieren, um HR-Fachkräften mehr Raum für strategische und kreative Tätigkeiten zu geben. Gleichzeitig betonte er, dass eine erfolgreiche Implementierung von KI nicht nur technisches Know-how, sondern auch rechtliches Verständnis erfordert. |
Dass der Gesetzgeber KI längst im Blick hat, verdeutlichte Dr. Philipp Klarmann (SAP SE), der aus Compliance-Perspektive die regulatorischen Anforderungen der KI-VO zusammenfasste. Die Verordnung, die am 1. August 2024 in Kraft getreten ist, verbietet bestimmte KI-Anwendungen, die Grundrechte verletzen können. Dazu zählen KI-basierte Emotionserkennung am Arbeitsplatz, die ungezielte Auswertung von Gesichtsbildern oder die Bewertung sozialen Verhaltens. Aber auch für KI-Systeme mit geringerem Risiko steigen die rechtlichen Anforderungen. Für viele einfache Anwendungen gelten ab dem 1. August 2025 strengere Dokumentations- und Transparenzpflichten. Unternehmen stehen somit vor der Herausforderung, den Spagat zwischen Innovation und regulatorischer Compliance zu meistern. |
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Der Mitbestimmung beim Einsatz von KI im HR-Bereich widmete sich Niclas Herboth (Universität Regensburg). Er erklärte, dass KI-Systeme im HR regelmäßig der Mitbestimmung unterliegen, es jedoch Ausnahmen gebe, etwa bei der Verwendung fiktiver oder anonymisierter Daten. Vorhersehbare und nicht-schutzzweckrelevante Veränderungen seien von der ausgeübten Mitbestimmung umfasst, weiterreichende Veränderungen erfordern jedoch eine erneute Betriebsratsbeteiligung. Zudem sei eine Mitbestimmung zu prüfen, wenn KI zu Personalabbau oder strukturellen Veränderungen, wie der autonomen Aufgabenerledigung, führe. Im Hinblick auf eine menschengerechte Arbeitsgestaltung können digitale Weisungen eine Mitbestimmung notwendig machen, etwa bei Überforderung oder KI-Teaming. Überdies hob Herboth die Bedeutung des Betriebsrätemodernisierungsgesetzes hervor, das dem Betriebsrat erleichtere, einen externen Sachverständigen zur Beurteilung des KI-Einsatzes hinzuzuziehen. |
Prof. Dr. Frank Maschmann behandelte die mit KI verbundenen Entwicklungen im Beschäftigtendatenschutz. „Profiling“, die Verarbeitung personenbezogener Daten durch KI, bilde die Schnittstelle zwischen KI-VO und DSGVO. Maschmann stellte drei zentrale Grundsätze der Datenverarbeitung vor: Rechtmäßigkeit, Transparenz und Zweckbindung. Für die Datenverarbeitung sei stets ein Erlaubnisgrund erforderlich. Während eine Einwilligung häufig wegen des Ungleichgewichts zwischen Arbeitgeber und -nehmer scheitere, sei eine Interessenabwägung unter Einbeziehung der berechtigten Erwartungen des Betroffenen erfolgsversprechender. Der Transparenzgrundsatz verlange die Nachvollziehbarkeit von KI-Ergebnissen, die Zweckbindung diene dem Schutz des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung. Abschließend betonte Maschmann, dass Betroffene grundsätzlich nicht ausschließlich automatisierten Entscheidungen unterworfen werden dürfen, der Mensch sei als Korrektiv unersetzlich. |
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Einen Überblick über die Rolle von KI in der Automobilproduktion gab Dr. Tobias Afsali (Dräxlmeier Group). KI verändere das Arbeitsumfeld: mehr als die Hälfte der Arbeitnehmer sollen in Prompt Engineering geschult werden und Unternehmen investieren verstärkt in KI. Afsali hob hervor, dass KI zwar „Hype“ sei, aber auch Unsicherheiten mit sich bringe. Unternehmen müssten ihre Daten und Prozesse sorgfältig aufstellen und einen Chancen-Risiko-Ansatz verfolgen. Digitale Kompetenzen und ein effektives Management der digitalen Transformation seien entscheidend, ebenso wie eine strategische Personalplanung, um Qualifikationslücken zu schließen. Zur Effizienzsteigerung und Kostensenkung setze Dräxlmeier KI etwa in der automatischen Inspektion von Produktoberflächen und vorausschauenden Wartung ein. Afsali beendete seinen Vortrag mit einem positiven Ausblick auf die Rolle von KI in der Krisenbewältigung und betonte, dass Unternehmen mutig in die Zukunft voranschreiten sollten – nicht nur als Pioniere, sondern auch als „Fast Follower“. |
Fazit: KI transformiert die Arbeitswelt und bietet als zukunftsweisendes Werkzeug enormes Potenzial zur Effizienzsteigerung. Gleichzeitig geht ihre Einführung mit Herausforderungen und Risiken einher. Eine zentrale Rolle spielen die rechtlichen Rahmenbedingungen, die einerseits die Rechte und Interessen der betroffenen Parteien schützen, andererseits jedoch ein Spannungsfeld zu Innovation und technischem Fortschritt schaffen. Die Arbeitswelt der Zukunft wird maßgeblich von KI geprägt, weshalb ein mutiger, aber verantwortungsbewusster Umgang mit KI entscheidend ist. |
Benjamin Glauberman und Lara Berg, Mannheim |
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