2007

2. Mannheimer Arbeitsrechtstag 2007 zum Thema »Geld ist alles?!«

Mitarbeiter richtig zu vergüten ist nach wie vor eine Herausforderung. Trotz Globalisierung und Wettbewerb, die beständig auf die Lohnkosten drücken, soll das Entgelt leistungsgerecht und motivierend sein. Wie sich diese Aufgabe vor dem Hintergrund der Schuldrechtsreform und des neuen Antidiskriminierungsrechts rechtssicher bewerkstelligen lässt, war das Thema des zweiten Mannheimer Arbeitsrechtstags. Unter der Leitung von Prof. Dr. Frank Maschmann, Direktor des Instituts für Unternehmensrecht der Universität Mannheim und Mitglied des Publizistischen Beirats der AuA, diskutierten die 200 Teilnehmer rechtliche und personalwirtschaftliche Fragestellungen.

Mittlerweile arbeiten rund 4,6 Millionen Arbeitnehmer in Deutschland für weniger als den von den Gewerkschaften geforderten Mindestlohn von 7,50 Euro pro Stunde. Ob und wie dieses Problem gelöst wird, ist offen. Prof. Maschmann betonte in seinem Eingangsreferat, dass der Wirtschaftsstandort Deutschland sicher nicht durch den Ausbau des Niedriglohnsektors gestärkt werden könne, sondern nur durch bessere Produkte und Dienstleistungen, die ohne leistungsbereite und motivierte Arbeitnehmer nicht zu haben seien.

»Flexiblere Lohngestaltung ermöglichen«

Dass sich Leistung lohnen muss, ist auch die Meinung des Mannheimer BWL-Professors Dr. Walter Oechsler, der in seinem Referat die personalwirtschaftlichen Prinzipien moderner Entgeltgestaltung erläuterte und dabei hervorhob, dass der Anteil der variablen Entgeltbestandteile an der Gesamtvergütung in Deutschland sehr viel größer werden müsse, wolle man nicht den Anschluss an internationale, vor allem amerikanische Standards verlieren. Viele Arbeitsplätze könnten hierzulande erhalten werden, wenn den Unternehmen eine flexiblere Lohngestaltung ermöglicht würde, auch wenn diese schwieriger zu handhaben sei. Die Chancen hierfür, vor allem im Tarifbereich, stünden allerdings schlecht. Bild_Referent
Bild_Referent Sehr viel weiter ist man bei der Walldorfer SAP AG, wie Dr. Gabrielb Wiskemann verdeutlichte, der den Teilnehmern das Total-CompensationVergütungskonzept seines Hauses vorstellte. Bausteine seien eine Unternehmensbeteiligung, die sich nach dem Erreichen vorgegebener Unternehmensziele richte, virtuelle Stock Options und ein als Bonusplan bezeichnetes Zielvereinbarungssystem. Im Arbeitszeitkonto könnten Mitarbeiter Teile ihrer Barvergütung in Zeitguthaben oder in Versorgungslohn umwandeln, der im Rentenalter als zusätzliche Altersversorgung diene.
Mit der kautelarjuristischen Gestaltung von Änderungsvorbehalten befassten sich Dr. Kerstin Reiserer, Rechtsanwältin in Heidelberg, und Dr. Rüdiger Linck, Richter am Bundesarbeitsgericht in Erfurt. Beide betonten, dass fehlerhafte Formulierungen die Unternehmen teuer zu stehen kommen können. Freiwilligkeitsvorbehalte böten größere Flexibilität als Widerrufsvorbehalte, da nur Letztere der strengen Transparenz-, Inhalts- und Ausübungskontrolle unterlägen. Seit der Schuldrechtsreform könnte die Zahlung einer unter Widerrufsvorbehalt stehenden Vergütung (außertarifliches Urlaubs- oder Weihnachtsgeld usw.) nicht mehr grundlos eingestellt werden, zudem müssten die Widerrufsgründe dem Mitarbeiter bereits mit der Vereinbarung mitgeteilt werden. Nur höchstens ein Viertel der Gesamtvergütung könne überhaupt variabel ausgestaltet werden. Neuere Tendenzen gingen dahin, die strengen Vorgaben für den Widerrufs- auf den Freiwilligkeitsvorbehalt zu übertragen. Abschließend diskutierte Reiserer die effiziente Gestaltung von Zielvereinbarungen und erläuterte Klauseln zu Berechnungsarten, Fälligkeit, Höchstgrenzen und Informationspflichten des Arbeitgebers. Mangels eindeutiger Vorgaben der Rechtsprechung empfahl sie dringend, Schlichtungsregelungen für den Streitfall aufzunehmen. Bild_Referent Bild_Referent
Bild_Referent Zu Zielvereinbarungen riet auch Dr. Klemens M. Dörner, Vorsitzender Richter am LAG Rheinland-Pfalz, in seinem Referat Entgeltkürzung bei „Low Performern“. Ansonsten sei es aussichtslos, bei langsamen oder schlecht arbeitenden Mitarbeitern den Lohn zu mindern, da sie weder eine „Gutleistung“ noch den Erfolg ihrer Dienste schuldeten. Abgesehen davon, dass sich die „Normalleistung“ bei anspruchsvoller Tätigkeit nur sehr schwer definieren lasse, wüssten viele Beschäftigte gar nicht, welche Arbeitsleistung von ihnen verlangt werde. Hier könnten nur klare Anweisungen oder eben Zielvereinbarungen helfen, wenn sie bei Nichterreichen eine entsprechende Entgeltminderung erlaubten.

»Diskriminierungsfreie Vergütung«

Behinderungsbedingte Leistungsminderungen dürfe der Arbeitgeber nach Inkrafttreten des AGG aber selbst bei Vergütungsregelungen nicht mehr ohne Weiteres zum Anlass für Entgeltkürzungen nehmen. Darauf wies Prof. Dr. Frank Bayreuther von der FU Berlin in seinem Referat „Diskriminierungsfreie Vergütungsgestaltung“ hin. Für noch problematischer hielt er allerdings Vergütungsregelungen, die am Merkmal „Alter“ anknüpften. Eine Entgeltdifferenzierung allein nach dem Lebensalter bedeute heute im Regelfall eine nicht zu rechtfertigende Diskriminierung. Anders zu beurteilen seien Vergütungsregelungen, die nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit unterschieden. Nach neuester Rechtsprechung (EuGH v. 3.10.2006 – Rs. C 17/05, „Cadman“) könnten solche Staffelungen gerechtfertigt sein, wenn sie die Berufserfahrung eines Mitarbeiters honorieren sollten, wobei diese Begründung nicht nur vorgeschoben werden dürfe. Zudem habe der Arbeitgeber neben dem AGG auch den Allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz und die sonstigen Diskriminierungsverbote (z. B.  § 4 TzBfG, § 9 Nr. 3 AÜG) zu beachten, deren Wirkungen häufig unterschätzt würden. Bild_Referent

 

Fazit:

Patentrezepte für den richtigen Lohn gibt es nicht. Flexibilität tut not, sie bedarf aber kluger Vertragsgestaltung, wenn sie den Arbeitgeber nicht teuer zu stehen kommen soll. Ratschläge hierfür enthält der demnächst erscheinende Tagungsband „Mitarbeitervergütung auf dem Prüfstand“, der die Referate der Veranstaltung einem größeren Publikum zugänglich machen soll.