2010

5. Mannheimer Arbeitsrechtstag 2010 zum Thema »Mit Leistung aus der Krise«

Die Wirtschafts- und Finanzkrise des Jahres 2009 – die schwerste in der Geschichte der Bundesrepublik – hat Spuren hinterlassen: Das Bruttoinlandsprodukt sank um 5 Prozent, die deutschen Ex- und Importe gingen im zweistelligen Prozentbereich zurück, die Unternehmensinsolvenzen sind um mehr als 11 % gestiegen. Ob die Krise damit ausgestanden ist, weiß niemand genau zu sagen. Dass nach der Krise eine Marktbereinigung folgt, scheint dagegen ziemlich unausweichlich. „Leistung“ heißt in vielen Unternehmen das Zauberwort zum Überleben. Und die Politik skandiert: „Leistung muss sich wieder lohnen“. Freilich steckt der Teufel wie immer im Detail, und um diese Detailfragen ging es beim fünften Mannheimer Arbeitsrechtstag am 10. März 2010. Unter Leitung von Prof. Dr. Frank Maschmann, Direktor des Instituts für Unternehmensrecht der Universität Mannheim, diskutierten die über 130 Teilnehmer die verschiedenen Aspekte des Leistungsbegriffs.
Mit der Frage, was genau Leistung ist, und welche Methoden es zu ihrer Messung gibt, beschäftigte sich zu Beginn der Tagung Prof. Walter A. Oechsler, Inhaber des Mannheimer Lehrstuhls für Allgemeine BWL, Personalwesen und Arbeitswissenschaft. Er stellte moderne Ansätze zur Leistungsbeurteilung dar und empfahl den Teilnehmern die „critical incidents“ Methode, die sich in den USA großer Beliebtheit erfreut. Führungskraft und Mitarbeiter definierten dabei drei bis fünf kritische Erfolgsfaktoren, die sie für unverzichtbar bei der Leistungserbringung im konkreten Einzelfall hielten (z.B. bei einer Kellnerin freundliche Ansprache des Kunden, sofortige Reaktion auf einen Kundenwunsch, höflicher Umgang mit einer Reklamation). Beurteilt würden dann keine Einstellungen oder Geisteshaltungen der Mitarbeiter („fleißig“, „kreativ“, „innovativ“), sondern das, was den Parteien am konkreten Arbeitsplatz wirklich wichtig sei. Bild_Referent
Bild_Referent Anschließend leitete Prof. Dr. Frank Maschmann von der Leistungsbeurteilung zur Leistungsverdichtung über. Terminnot, Stress und Leistungsdruck sei das Bild, das sich in vielen Betrieben zeige. Umgekehrt sei in einem Hochlohnland wie Deutschland die Arbeitsverdichtung die einzige Stellschraube, an der noch gedreht werden könne, zumal die meisten Arbeitnehmer zum Erhalt ihres Arbeitsplatzes auch bereit seien, auf Dauer hohe Leistungen flexibel zu erbringen. In welcher Intensität und Güte gearbeitet werden müsse, bestimme sich laut BAG nach einem individuellen Maßstab („Der Arbeitnehmer muss tun, was er soll, und zwar so gut wie er kann“). Maschmann ging auch auf Alternativen wie den objektiven Leistungsmaßstab ein, demzufolge eine Normalleistung geschuldet sei, verwarf diesen aber. Eine Absage erteilte er allerdings auch den modernen Managementphilosophien, für die nur noch das Arbeitsergebnis zähle ohne Rücksicht auf die hierfür nötige Arbeitszeit. Das sei mit dem derzeitigen Arbeitsrecht nicht zu vereinbaren und auch nicht mit Zielvereinbarungen zu erreichen, da diese das Nichterreichen von Arbeitsergebnissen nicht disziplinarisch ahnden dürften. Was der Mitarbeiter schlimmstenfalls verliere, sei der Bonus. „Stressklagen“ wie in Großbritannien könnten demnächst auch auf deutsche Unternehmen zukommen. Ein wirksamer Schutz vor Überlastung könne mit einer Gefährdungsbeurteilung nach § 5 ArbSchG beginnen, bei der auch psychische Belastungen der Arbeitsabläufe zu ermitteln seien. Sie zu erstellen, könne der Arbeitnehmer nach § 618 BGB verlangen und der Betriebsrat über die Einigungsstelle wegen seines Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG erzwingen.
Dr. Stefan Suchan, Rechtsanwalt, Steuerberater und Partner bei der KPMG, beschäftigte sich sodann mit der Frage der Angemessenheit von Vorstandsvergütungen und stellte das VorstAG als Antwort der Politik auf die Finanzkrise vor. Die Gesetzesänderungen seien vielfach gar nicht neu und teilweise sogar rein deklaratorisch. Praktische Probleme seien bei der Bestimmung der „Üblichkeit“ einer Vorstandsvergütung und der dazu vorgesehenen Ausnahmen zu erwarten. Auswirkungen auf die Vergütungsgestaltung von Managern unterhalb der Vorstandsebene seien nicht auszuschließen; sie folgten aber den sehr viel strengeren Vorgaben des Arbeitsrechts. Bild_Referent
Bild_Referent Im Anschluss daran beleuchtete Prof. Dr. Stefan Winter von der Ruhr-Universität Bochum die Frage der angemessenen Vorstandsvergütung aus personalwirtschaftlicher Sicht. Eine fixe Koppelung der Vorstandsgehälter an untere oder durchschnittliche Arbeitnehmereinkommen sei in der Praxis zum Scheitern verurteilt, wie Studien ergeben hätten. Daher sei auch eine gesetzliche Anordnung dieses Systems nicht zu begrüßen. Angemessenheit, die die personalwirtschaftliche Forschung in Jahrzehnten nicht habe greifen können, lasse sich auch nicht durch den Gesetzgeber bestimmen. Die Öffentlichkeit verkenne, dass hohe Vorstandsgehälter auch eine Anreizfunktion für das Management unterhalb der Vorstandsebene hätten, das sich besonders anstrengen würde, um Vorstand zu werden und dann entsprechend zu verdienen. Wer die besten Köpfe wolle, müsse entsprechend zahlen. Die Parallele zu Sportturnieren liege auf der Hand. Auch Spitzensportler würden nur bei wirklich hohen Preisgeldern an den Start gehen. Die gesetzliche Regelung führe lediglich zu einer Umverteilung von „reich“ zu „reich“, d. h. von den Managern zu den Anteilseignern; Nutznießer des Gesetzes seien deshalb letztlich die Aktionäre.
Nach der Mittagspause am italienischen Buffet ging es mit einem hochaktuellen Thema weiter. Prof. Dr. Martin Franzen von der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität referierte über Sparten-Tarifverträge für selbst ernannte Leistungsträger, also für Funktionseliten, die wie die Ärzte, Piloten und Lokführer als homogene und zum Streik bereite Gruppe genügend Drohpotenzial mobilisieren könnten, um vom Arbeitgeber als Tarifpartei ernst genommen zu werden.  Der Vortrag stand vor dem Hintergrund der anstehenden Aufgabe der Tarifeinheit durch das BAG. Franzens These: Es sei strikt zwischen Tarif- und Arbeitskampfrecht zu trennen. Abwechselnde, ausufernde Arbeitskämpfe durch verschiedene „Elitengewerkschaften“ seien nicht zu befürchten. Das Festhalten am Grundsatz der Tarifeinheit führe zu nichts. Bild_Referent
Bild_Referent Wie man als Arbeitgeber mit Minder- und Schlechtleistern verfahren kann, stellte sodann die bekannte Heidelberger Rechtsanwältin Dr. Kerstin Reiserer dar. Vor der endgültigen Trennung seien Fördermaßnahmen, Ursachenforschung, ein Trainingsplan und  regelmäßige Leistungskontrollen angebracht. Wichtig sei die ausreichende Dokumentation aller Beanstandungen und Bemühungen. Die Kündigung sei erst der letzte Schritt.
Auf der anderen Seite der Skala befinden sich die sog. „High Performer“. Sie gilt es trotz der Krise für die Zeit danach als schlagkräftiges Team in den Unternehmen zu halten. Dr. Rainer Thum, Rechtsanwalt vom Frankfurter Büro der Kanzlei Noerr, erläuterte die wesentlichen Handlungsoptionen: in der freundlichen Variante systematische Personalentwicklung, dienstalterabhängige Gehaltssteigerungen, Lebensarbeitszeit, in der unfreundlichen Kostenerstattung für arbeitgeberfinanzierter Weiterbildungsmaßnahmen, lange Kündigungsfristen und nachvertragliche Wettbewerbsverbote . Spannendster Aspekt seines Vortrages war die Frage, ob und wann High Performer einen Anspruch auf Beförderung genießen – ein Problem, das in Gestalt beamtenrechtlicher Konkurrentenklagen im öffentlichen Dienst schon seit langem bekannt ist und das angesichts der vielerorts praktizierten systematischen Personalentwicklungsprogramme auch in der Privatwirtschaft an Bedeutung gewinnt. Bild_Referent
Bild_Referent Abschließend behandelte Roland Lukas, Vizepräsident des Frankfurter Arbeitsgerichts a. D. und nun Inhaber der Unternehmensberatung roland lukas KONFLIKTLÖSUNGEN die Rolle des Betriebsrats. In der derzeitigen Lage gehe „gegen den Betriebsrat nichts und mit dem Betriebsrat alles“. Die vertrauensvolle Zusammenarbeit (§ 2 Abs. 1 BetrVG) sei die zentrale Norm des Betriebsverfassungsgesetzes. Sie gebiete einen respektvollen Umgang der Betriebsparteien, der sich durch Kommunikation, Perspektivenwechsel und vertrauensbildende Maßnahmen stärken ließe. Nur so bleibe auch bei harten Verhandlungen in der Sache ein gutes Verhältnis zum Betriebsrat erhalten.

 

Fazit:

Leistung ist der Schlüssel für eine nachhaltige Personalentwicklung. Fördern und Fordern muss die Devise für den Umgang sowohl mit High als auch mit Low Performern sein. Im wohlverstandenen Eigeninteresse von Unternehmen wie Mitarbeitern ist dabei auch auf einen wirksamen Schutz vor Überbelastung und Stress am Arbeitsplatz zu achten. Die Referate können in dem im Sommer erscheinenden Tagungsband nachgelesen werden.